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Interview mit Krimi-Autor Daniel Holbe

„Draußen im Wald fallen mir unglaublich viele Ideen ein“

Daniel Holbe ist einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren Deutschlands: Nach dem Tod von Krimi-Star Andreas Franz führte er die erfolgreiche Reihe um die Frankfurter Hauptkommissarin Julia Durant weiter. Am 16. Juni steht er gemeinsam mit Autoren-Kollege Meddi Müller im Freizeitzentrum Münster auf der Bühne, um aus der Kurzgeschichten-Sammlung „Ein Viertelstündchen Frankfurt“ vorzulesen. Im Gespräch mit der Gemeinde Münster erzählt der Hesse, wie er es vom Klima- und Kältefachmann zum Bestseller-Autor schaffte, wie er Inspirationen für seine Romane im Wald und im Stadion der Eintracht findet und wie schwer es war, ein großes literarisches Erbe anzutreten.

Das Interview führte Meike Mittmeyer-Riehl

Gemeinde Münster: Herr Holbe, Ihre Krimis spielen in Frankfurt, Sie haben eine Kurzgeschichte für das Buch „Ein Viertelstündchen Frankfurt“ geschrieben, Sie haben also eine enge Verbindung zu der Stadt. Kurz nach dem DFB-Pokalfinale muss ich diese Frage einfach stellen: Sind Sie denn auch Fan der Frankfurter Eintracht?

Daniel Holbe: Ja, nicht nur das, ich bin sogar Mitglied. Allerdings sollte man dazu sagen, dass ich noch nie im Leben einen wirklich brauchbaren Ball geschossen habe. Doch das Herz schlägt ganz klar für die Eintracht. Sie wird sogar in meinem neuen Buch aus der Durant-Reihe eine Rolle spielen. Ich muss dabei natürlich immer aufpassen, dass Leute, die mit Fußball überhaupt nichts zu tun haben oder vielleicht dem „falschen“ Verein angehören – oder allen anderen falschen Vereinen (lacht) – nein, Spaß beiseite. Jedenfalls muss ich aufpassen, dass diese Leute das trotzdem lesen können und einen Bezug dazu haben. Zumal mein Verlag ja ausgerechnet auch noch in München sitzt (lacht).

Sie sind auch sonst ziemlich sportlich unterwegs, oder? Als ich angerufen habe, kamen Sie gerade vom Laufen zurück.

Ich bin von der Wetterau in den Vogelsberg gezogen und hatte schon so meine Schwierigkeiten als Flachland-Akrobat. Laufen ist mein Ausgleich zum Schreibtisch-Job. Im Gegensatz zu meinen Kommissaren und Mördern komme ich eigentlich sonst nicht von der Tastatur weg. Mir fallen draußen im Wald unheimlich viele Ideen ein. Ich versuche, 2-3 Mal die Woche meine Runden zu drehen. Das war aber nicht immer so. Bevor ich 18 wurde, habe ich die halbe Welt – na ja, die halbe Welt vor Columbus zumindest – per Fahrrad bereist. Dann wurde ich 18, machte den Führerschein und habe meinen Drahtesel quasi in die Ecke gestellt. Irgendwann war ich dann 39 und mein Doktor sagte: „Du könntest ja ruhig auch mal wieder ein bisschen was tun.“

Sie haben die Krimireihe von Andreas Franz nach dessen Tod weitergeführt. Wie schwer war es, so ein großes literarisches Erbe anzutreten?

Es war unglaublich schwer. Das Seltsamste für mich war, dass ich als Leser dieser Reihe – der sich ja genau wie alle anderen Fans damit abfinden musste, dass es nicht weitergeht und dass das angefangene Buch nie erscheinen wird – auf einmal derjenige war, der nicht nur die Gewissheit hatte: es geht weiter, sondern auch derjenige, der dafür sorgen musste, dass es weitergeht. Das war heftig. Aber auch eine große Ehre, ganz klar. Es waren aber ganz viele gemischte Gefühle dabei. Ich konnte mich an nichts orientieren, für so etwas gibt es keine Youtube-Videos, kein How-To, keinen Leitfaden.

Sie selbst haben einen ziemlich interessanten Lebenswandel: Vom Kälte- und Klimafachmann über den Erzieher zum Sozialarbeiter und schließlich zum Krimi-Autor – wollten Sie auch mal Kommissar werden?

Ich hatte früher als Kind schon diese Fantasien, Polizist oder Pfarrer werden zu wollen. Meine Oma hat immer gesagt: „Wenn du Pfarrer werden willst, darfst du nicht so viele böse Wörter sagen. Wenn du Polizist werden willst, darfst du nicht so viele Streiche spielen.“ Da dachte ich mir dann: „Hm, okay, das kannst du knicken“, weil ich als Kind auch nicht immer so ganz pflegeleicht war. Aber nein, im Ernst: Es stand nicht ganz oben auf der Liste. Ich habe mir mit 10 oder 12 Jahren gewünscht, Autor zu werden. Eigentlich aber eher Journalist. Man hat aber von solchen Berufen als Kind nur eine grobe Vorstellung und es muss erstmal ein bisschen Leben stattfinden, bis es dazu kommt. Ich glaube, das geht den meisten Autoren so. Das ist nun mal kein klassischer Lehrberuf.

Inwieweit beeinflussen diese vielfältigen Erfahrungen Sie auch literarisch?

Gerade aus meinen Erfahrungen im Bereich Sozialarbeit kann ich viel in meine Arbeit als Autor einbringen. Das, was man nicht kennt, kaufen einem die Leute auch nicht ab. Ich denke, es ist ein Zugewinn für den Krimi oder generell für Bücher, dass alles etwas realitätsnäher dargestellt wird. Wenn man Erfahrungen einfließen lassen kann, dann hat man beim Schreiben ein besseres Gefühl. Wenn ich meinen Figuren nicht selber folgen kann, dann kann das auch sonst keiner. Dann handeln sie nicht authentisch.

Was können die Zuschauer von Ihrer Lesung am 16. Juni erwarten?

Ich werde innerhalb von einer Viertelstunde Frankfurt in Schutt und Asche legen – es geht in der Geschichte nämlich um eine Fliegerbombe. Da ich ja Krimiautor bin, werde ich auch noch einen großen Kriminalfall, Frankfurts vielleicht größten Kriminalfall, auflösen. Und ich werde das Ganze einem gewissen Goethe in die Schuhe schieben. Wie ich das alles mache, verrate ich aber erst am 16. Juni.

Über Daniel Holbe und „Ein Viertelstündchen Frankfurt“

Daniel Holbe, Jahrgang 1976, kommt aus der Wetterau. Seinen Wunsch, Autor zu werden, verwarf er zunächst zugunsten eines Jobs als Kälte- und Klimafachmann, später machte er eine Ausbildung zum Erzieher und studierte Sozialarbeit. 2009 erschien mit „Die Petrusmütze“ sein erfolgreicher Debütroman. Nach dem Tod von Krimi-Autor Andreas Franz 2011 stellte Holbe den noch unvollendeten Roman „Todesmelodie“ aus der Reihe um die Frankfurter Hauptkommissarin Julia Durant fertig. Seither sind noch fünf weitere Bände dieser Reihe aus seiner Feder erschienen. Neben anderen namhaften Autoren steuerte er eine Story für den Kurzgeschichten-Band „Ein Viertelstündchen Frankfurt“ bei, das im CharlesVerlag erschienen ist. Kreativer Kopf, Verleger und Mit-Autor hinter diesem Buchprojekt ist Meddi Müller, der bei der Open-Air-Lesung in Münster natürlich auch mit dabei ist. Ein zweiter Band ist bereits in Arbeit.

Zur Veranstaltung

Daniel Holbe und Meddi Müller lesen am Samstag, 16. Juni 2018 im Rahmen des Kultur-Open-Airs am See im Freizeitzentrum Münster. Anschließend ist ein Konzert mit „Welthits auf Hessisch“ zu hören, der Abend klingt mit „Aroha“, bestehend aus dem Münsterer Musiker-Duo Sue Ferres und Steffen Huther, aus. Beginn ist 18 Uhr. Infos und Tickets gibt es im Rathaus in der Mozartstraße 8, bei allen ztix-Vorverkaufsstellen und unter www.kulturhalle-muenster.de.

Foto: Oliver Misof


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